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gehalten: I like familie





        „Tja“- eine Hommage









        an meine Schwiegers












        PETRA KOCH














        Mein Mann und ich lern-             plom-Ingenieur und fuhr schon        der Ablösung von den eigenen
        ten uns schon mit 15 Jahren ken-    damals einen Dienstwagen. Seine      Eltern.  Ich  erlebte  gleich  zwei
        nen. Im Schulbus, vor 32 Jahren.    Mutter arbeitete halbtags in ei-     sehr verschiedene Lebensmodelle
        Wenige  Wochen später machte        nem Architekturbüro. Sie lebten      von innen und konnte diese (un-
        ich auch Bekanntschaft mit sei-     in einer Wohnsiedlung in einem       bewusst) vergleichen, um eine ei-
        nen Eltern und ging bald regel-     Einfamilienhaus. Ihre finanzielle    gene Variante zu entwickeln.
        mäßig in deren Haus ein und         Lage und auch ihr kulturelles In-
        aus.                                teresse unterschieden sich deut-     2. Einblicke in eine Prägung
        Im Rückblick sehe ich drei tief     lich von dem, was ich von zuhau-     aus einer anderen Region
        prägende Horizonterweiterun-        se kannte. Sie gingen in Konzerte    Deutschlands
        gen durch diese Familie:            und zu Ausstellungen und ebne-
                                            ten so ganz natürlich auch mir       Meine Schwiegers waren 1970
        1. Einblicke in eine andere ge-     einen Weg in diese ungewohnte        aus beruflichen Gründen aus
        sellschaftliche Schicht             Welt, die ich aus der Schule vom     dem Ruhrgebiet nach Franken
                                            Hörensagen kannte, aber nie          gezogen.  Das  konnte  man  hö-
        Ich selbst bin in einem kleinen     selbst erlebt hatte.                 ren: nicht der kleinste Ansatz von
        200-Seelen-Dorf  in  Mittelfran-    Anfangs war ich sehr schüchtern      fränkischem  Dialekt,  dagegen
        ken auf einem Bauernhof aufge-      und ruhig in der Familienrunde,      so mancher Ausdruck aus dem
        wachsen. Dort war ich im Gro-       doch nach und nach gewöhnte          „Ruhrhochdeutschen“. Die and-
        ßen und Ganzen auch zufrieden       ich mich an die Art und die The-     re Prägung zeigte sich auch bei
        und mochte meine Familie. Nur       men der Gespräche.                   den Essensgewohnheiten.
        selten fühlte ich mich fremd in     Nein, ich halte meine Eltern         Richtig interessant wurde es für
        der Dorfgemeinschaft und nicht      nicht für ungebildet, sie sind auf   mich, als ich die Omas, Onkel
        so richtig zugehörig - zum Bei-     ihre eigene Art weise. Doch in der   und  Tanten  sowie  deren  Kin-
        spiel, als ich als erstes Mädchen   Schwiegerfamilie erlebte ich eine    der kennen lernte, die noch im
        des Dorfes zum Gymnasium            andere, inspirierende Lebenswei-     Ruhrgebiet wohnten. So man-
        wechselte.                          se. Besonders wertvoll empfinde      chen  Witz konnte ich weder
        Der Vater meines Mannes ist Di-     ich dies im Rückblick für die Zeit   sprachlich noch vom Humor



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